Der Rückbau eines Klassikers
Die Konstruktion und der Aufbau eines nicht-kompakten Schmidt-Cassegrain Teleskopes
Die Theorie zur Modifikation
Viele Amateurastronomen besitzen heutzutage Schmidt-Cassegrain Teleskope (SCT), die sie für visuelle und fotographische Zwecke einsetzen. Dabei handelt es sich um kommerzielle Industrieprodukte, bei deren Fertigung neben der optischen Qualität auch auf eine kostengünstige Herstellung Wert gelegt wird. Die zeigt sich v.a. in einem Aspekt, der kaum Beachtung findet: So erfolgt die Anordnung der optischen Komponenten eines SCT leider nicht in idealer Art und Weise. Die Platzierung der Korrekturplatte vor dem Spiegelsystem sollte nach ihrem Erfinder Schmidt in einem größeren Abstand erfolgen, um die Bildfehler zu reduzieren.
Die optische Theorie der SCTs basiert auf einem Cassegrainsystem, das mit einer Schmidt-Korrekturplatte zur weitgehenden Behebung der sphärischen Aberration ergänzt wird (Theorie s. Kasten). Die wichtigen Größen R und D liegen bei einem SCT mit der klassischen kompakten Bauform im Größenbereich 0.7-0.8. Wie man erkennt, kann durch eine Vergrößerung des Abstandes der Schmidtplatte vom Hauptspiegel der Wert für D vergrößert und somit der Seidel-Koeffizient BSCT, der die Stärke des Komafehlers beschreibt, reduziert werden. Durch eine Vergrößerung des Korrektor-Abstandes reduziert sich neben der Koma auch der Astigmatismus CSCT.
Die optische Theorie der Schmidt-Cassegrain Teleskope Ein Schmidt-Cassegrain Teleskop (SCT) beschreibt eine Teleskopbauart eines Zweispiegelsystems, das, neben einem sphärischen Haupt- und Fangspiegel eine zusätzliche Korrekturplatte als optisch wirksame Komponente besitzt.
Ausgehend von der Brennweite f eines SCTs wird der Aufbau und die Leistungsfähigkeit der Optik maßgeblich durch die Werte für die Fangvergrößerung M, den Abstand d zwischen den Spiegel, den Abstand dc der Schmidtplatte vom Hauptspiegel und dem Backfokus b bestimmt, die mittels dimensionsloser Hilfsgrößen definiert werden.
Bei einem üblichen SCT mit einer Brennweite f1 des Hauptspiegels gilt in guter Näherung D = R, die Fangspiegelvergrößerung liegt bei den typischen SCT bei M=5 und der Wert von R beträgt etwa 0.7. Um die wichtigsten Bildfehler eines SCTs zu quantifizieren, nutzt man die Seidel Koeffizienten der dritten Ordnung: A für die sphärische Aberration, B für die Koma und C für den Astigmatismus.
Der Faktor g definiert die relative Stärke, der durch die Schmidtplatte bewirkten Korrektur der sphärischen Aberration und wird durch die asphärische Form der Schmidtplatte bei der Fertigung so gewählt, dass ASCT = 0 wird. Nutzt man nicht sphärische Spiegelkomponenten, könnte man weitere Bildfehler eliminieren wie dies z.B. beim Ritchey-Chretien System der Fall ist (A = B = 0).
Die Form der Schmidtplatte wird so bestimmt, dass die optische Weglänge für die Strahlen, die durch die verschiedenen Ringzonen der Platte einfallen, auf ihrem Weg zum Fokus identisch ist. Da die Schmidtplatte als Glaskomponente im Strahlengang zusätzlich einen Farbfehler erzeugt, der in einem reinen Spiegelsystem nicht auftritt, wird zudem eine bestimmte Lage der so genannten „neutralen Zone“, einem flach verlaufenden Ringsegment der Schmidtplatte gewählt, damit dieser Fehlerbeitrag minimiert wird.
Die Deformation der Schmidtplatte lässt sich durch einen Ansatz z(r) beschreiben:
Wobei der erste Term den paraboloiden Beitrag beschreibt und in der Literatur auch als Kegelschnitt allgemeiner formuliert zu finden ist. Obwohl die bekannten SCT Hersteller diese Kenngrößen nicht veröffentlichen, kann man für ein 11“ SCT abschätzen, dass die maximale Deformation im Bereich einiger 1/100stel Millimeter liegt, der paraxiale Radius der Parabel liegt bei etwa 8m. Theoretisch könnte man mit einem idealen Abstand zwischen Schmidtplatte und Hauptspiegel mit D_ideal=2/g*M^2+a*b*(1-R)/R die Koma auf Null reduzieren. Bezogen auf den Ausgangswert eines originalen C11s, würde eine solche ideale Abstandsvergrößerung von 353 mm den Wert für BSCT = 0 liefern. Ein derartig modifiziertes SCT wird als nicht-kompakten SCT System bezeichnet. Wählt man einen baulich akzeptableren Verlängerungswert, der etwa der Apertur des Systems entspricht, so erhält man für den Komafehler BSCT bei einem modifizierten C11 einen Wert von weniger als 20% des ursprünglichen Komafehlers eines kompakten SCTs. Der Astigmatismus, der bei einem SCT einen weniger starken Fehlerbeitrag im Vergleich zur Koma liefert, wird bei dieser Verlängerung auf 75% reduziert.
Viele Amateurastronomen setzen ihre SCT Optiken auch für die Astrofotografie ein und nutzen hierbei Zusatzlinsen, die die Brennweite verkürzen oder verlängern. Besonders beliebt sind hierbei so genannte Shapleylinsen, um das langsame f/10 Öffnungsverhältnis der typischen SCTs zu verkürzen. Es handelt sich meist um achromatische, fest verfügte Doublets, die vor der Kamera im Strahlengang platziert werden. Diese Linse bewirkt eine Verstärkung der verzeichnenden und der chromatischen Bildfehler. Dieser negative Einfluss ist besonders deutlich bei Aufnahmen mit den zur Zeit immer häufiger zum Einsatz kommenden großformatigen DSLR Kamera zu sehen. Benutzt man für Aufnahmen mit diesen Kameras ein modifiziertes SCT, so bleibt Abbildungsqualität selbst bis zur Öffnungsverhältnissen von f/6 akzeptabel.
Abschließend zur Theorie muss darauf hingewiesen werden, dass es weitere Möglichkeiten gibt, eine Abbildungsverbesserung im Vergleich zu einem herkömmlichen SCT zu erreichen. Diese Maßnahmen betreffen die Modifikation der optischen Komponenten. So kann die Verwendung von asphärischen Spiegelflächen oder der Austausch der Schmidtplatte z.B. durch einen aus zwei Glaskomponenten aufgebauten Korrektor, die Qualität der außeraxialen Abbildung verbessern. Diese Eingriffe erfordern jedoch einen komplexeren und aufwändigeren Fertigungsaufwand im Vergleich zu hier beschriebenen Modifikation.
Die Modifikation …
Überträgt man diese theoretischen Überlegungen in die Praxis, stellt sich die Frage, wie man die Schmidtplatte auf eine einfache, und, wenn möglich reversible Art und Weise vorversetzt, so dass das SCT in seine Ursprungsform zurückgebaut werden kann. Man erreicht dies mit Hilfe eines Zwischenringes und eines Verlängerungstubus’, der zwischen Originaltubus und der Halterung der Schmidplatte montiert wird. Diese Halterung wird dann am Verlängerungstubus befestigt, wobei der Fangspiegel nun nicht mehr in der Halterung im Zentrum der Schmidtplatte, sondern nun in einer neuen Fangspiegelspinne im Zwischenring platziert wird. Mit diesem Umbau wandelt man das C11 von einem kompakten zu einem nicht-kompakten SCT, das im Prinzip eine „Fast-Schmidt-kamera“ darstellt. Dieser neue Aufbau ähnelt dem Bauprinzip einer Richter-Slevogt-Kamera, wenngleich zu beachten ist, dass natürlich immer noch mit sphärischen Spiegeln gearbeitet werden muss.
Die CAD Zeichnungen des benötigten Zwischenringes wurden basierend der Bemaßung eines C11s erstellt und lassen sich auf alle gängigen SCT Modelle übertragen. Nach der Fertigungsvorbereitung wurde als Ausgangsmaterial für den Zwischenring ein Block der Aluminium-Magnesium Legierung AlMg4.5Mn0.7 mit den Maßen 350mm x 350mm x 75mm gewählt. Durch Nutzung mehrerer Fräsköpfe und einer mehrstufigen Bearbeitung in einer Hochgeschwindigkeits-Fräsmaschine (HSC, Highspeed-Cutting) wurde der Zwischenring aus dem 25kg schweren Block in zwei Arbeitsgängen herausgefräst. Das zerspante Fertigteil wog schließlich nur etwa 1kg, was einem Spanabfall von mehr als 96% gemessen am Ausgangsblock. Neben der Verbindung der Tuben erfüllt der Zwischenring als das zentrale Bauteil des Umbaus noch weitere Funktionen. Zusätzlich beinhaltet der Ring die vier Fangspiegelstreben und die Fangspiegelhalterung. Ebenso ist die Fangspiegelblende in die Konstruktion des Zwischenrings integriert. Durch die Integration der Spinne im Zwischenring entfällt eine spätere Zentrierung des Fangspiegels in Bezug auf die optische Achse des SCTs und reduziert die Justageanfälligkeit des Umbaus.
Nach dem Zusammenbau wurde die Innenseite des Verlängerungstubus mit einer Velourschicht versehen, um die Reflexe durch Streulicht zu minimieren. Bei der Montage der Schmidtplatte auf dem Verlängerungstubus wurde mit Hilfe einer Justierstange mit Messuhr ein konstanter Abstand zur Hauptspiegelzelle sichergestellt. Die Befestigung auf der parallaktischen Montierung sollte mit einer 3“-Prismenschiene erfolgen, die zusätzlich zur bereits am C11 montierten GP-Prismenschiene angebracht wurde. Zu Testzwecken wurde das modifizierte C11 auf der Montierung platziert und in mehrere Stellungen geschwenkt, wobei der Aufbau auf mögliche Verbiegungen mit der Justierstange geprüft wurde. Es zeigt sich, dass die beschriebene Tubusmontage eine sehr stabile Anordnung darstellt, so dass keine Fehlermöglichkeit durch einen zusätzlichen mechanischen Freiheitsgrad besteht.
Die Praxis …
Abschließend möchte ist anzumerken, dass sich nach einigen Monaten der Beobachtung mit dem nicht-kompakten SCT sagen läßt, dass sich der Umbau in jedem Fall gelohnt hat. Die Theorie wird sehr gut durch die Praxis bestätigt. Besonders auffällig ist dies bei der erwartungsgemäß reduzierten Koma in den Randbereichen des CCD Bildfeldes, aber auch bei der verbesserten Sternabbildung eines Leitsterns auf dem Guidechip, der in größeren Abstand von der optischen Achse platziert ist und von der Abbildungsverbesserung besonders profitiert. Der Nachteil der längeren Bauform erhöht in gewissem Maße die Windanfälligkeit eines ungeschützten Aufbaus, doch die Vorteile der Abbildungsverbesserung durch die Modifikation überwiegen gegenüber der nachteiligen längeren Baulänge.
Ein klassisches SCT lässt sich also durch einen Umbau in eine Fast-Schmidt-Kamera umwandeln – oder besser gesagt ein SCT lässt sich im Schmidt‘schen Sinne zurückbauen. Da sich das Konstruktionsprinzip auf alle handelsüblichen SCT Modelle übertragen lässt, ist vielleicht die beschriebene Modifikation für den einen oder anderen Amateurastronomen Anlass genug, über einen Umbau des eigenen SCTs nachzudenken.
Dr. Michael König Februar 2006
Danksagung
Besonders danken möchte ich Michael Breite, der im Sommer 2004 die Idee des Umbaus aufbrachte und die Motivation für die Konstruktion des Zwischenringes lieferte. Die Konstruktionszeichnungen und die Fertigungsvorbereitung wurden mit der Unterstützung von Agathe Schmid-König realisiert (www.schmid-koenig.de). Für die optischen Rechnungen wurden u.a. die Programme OSLO EDU und Optalix eingesetzt.
Literaturhinweise
Telescope Optics, Rutten und van Venrooij, Willman-Bell Astrooptik, Laux, SdW Taschenbuch
Zusatzanmerkung
Durch die Versetzung der Schmidtplatte wird die On-Axis Abbildung in einem geringen Maße beeinträchtigt. Diese Benachteilung des Umbau gegenüber einem originalen SCT fällt jedoch viel geringer aus als die Abbildungsverbesserung durch die Komareduktion bei Vorversetzung der Schmidtplatte.
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