NGC7469 – Blick ins Zentrum einer Sy1.5-Galaxie

Die Galaxie NGC7469 im Pegasus ist eine bekannt Seyfert-Galaxie. Sie gehört also zur Familie der Aktiven Galaxien. Der englische Ausdruck „active galactic nuclei“ (AGN) beschreibt besser, wo die Unterschiede zu normalen Galaxien sind – diesen finden sich im „Kern“, also im Zentrum.

Das Standardmodell von Galaxien geht davon aus, dass im Zentrum ein supermassives Schwarzes Loch gibt, das von einer Akkretionsscheibe umgeben ist (bei NGC7469 liegt die Masse des Schwarze Lochs bei 107 Sonnenmassen). Über diese Scheibe strömt Material (Gas, Staub) ins Zentrum, und zwar so, dass durch die Rotation und Wechselwirkungen eine Scheibe geformt wird, in der das Material Drehimplus verliert und so weiter nach innen gelangen kann. Die Scheibe wird zum Zentrum hin immer dichter und heißer, so dass diese auch im Röntgenlicht intensiv leuchtet. In der Scheibe und vor allem an ihrem inneren Rand wirken starke Magnetfeld und das Plasma strömt dann ins Schwarze Loch. Die genauen Prozesse, die sich hier ereignen, sind komplex, auch weil es nicht nur „den Weg ins Zentrum gibt“, sondern auch weil aus dieser zentralen Region bei aktiven Galaxien Material-Strahlen (Jets) mit relativistischen Geschwindigkeiten nach außen strömen. Diese fein fokussierten Strahlen folgen dabei der Drehimpulsrichtung der Scheibe und speisen mit ihrer Energie weit entfernte Radioblasen, deren Abstand sogar den Durchmesser der gesamten Galaxie und ein Vielfaches übertreffen kann.

Die Abbildung zeigt den Querschnitt dieser „zentralen Maschine“. Violett eingefärbt ist die Akkretionsscheibe. Umgeben wird dies Maschine von einem dichten und sehr großen Staubtorus (die Abbildung benutzt eine logarithmischen Maßstab!). Es ist also wichtig, wie man auf dieses – oder besser – in dieses Zentrum hineinschaut. Es hängt von unserem Einblickwinkel ab, ob wir direkt auf die Scheibe sehen, oder aber ob dieser Blick durch den Torus verdeckt wird.

Das führt dazu, dass, auch wenn zwei Galaxien im Zentrum gleich aktiv sind, deren Erscheinungsbild, und damit sind die beobachteten Spektren gemeint, ein völlig anderes ist.

Bei NGC7469 handelt es sich um einen Seyfert-1.5-Typen. Hier sieht man also „etwas“ vom Zentrum (der Kippwinkel liegt bei rund 30°, etwa wie in der Grafik). Zu diesem „Etwas“ gehören die als grüne und blaue Wolken gezeigten Bereiche, in denen die auffälligen Emissionslinien entstehen, die man im optischen Spektrum sehen kann. Die grüne „Narrow Line Region“ erzeugt schmale, und die blaue „Broad Line Region“ breite Emissionslinien. Bei der Breite spricht man von der Verteilungsbreite der Geschwindigkeiten. Bei schmalen Linien sind es wenige +/- 100 km/s und bei breiten können es über +/- 1000 km/s sein, mit der sich die Wolken bewegen.

Das Spektrum von NGC7469 zeigt die charakteristischen Emissionslinien von Wasserstoff, Sauerstoff, Helium und Schwefel. Prominent ist dabei die Dreiergruppe aus der Hβ- und den zwei [OIII]-Linien in der 500 nm-Zone, sowie die sich überlagernde Linien aus [NII]+Hα-[NII] bei etwa 670 nm. Die Auflösung meines Spektrographen reicht leider nicht aus, um diese Gruppe zu trennen, und daher sieht man den Effekt der „BLR“ nicht direkt bei der Hα-Linie, man kann ihn nur erahnen. Anders ist es bei den Hβ- und Hγ-Linien. Deren „Linien-Fuss“ ist deutlich breiter als bei den schmalen [OIII]-Linien.

Auch hier muss man sagen, dass die Unterscheidung in die zwei Komponenten BLR+NLR eine Vereinfachung ist. Es gibt mehrere solche kinematischen Komponenten, die zum „Licht der Emissionslinie“ beitragen. Und je nach ihrer relativen Geschwindigkeit, sind diese Beiträge rot- oder blau-verschoben. In einem Artikel von S. Cazzoli et al., MNRAS 493, 2020, werden folgende Komponenten aufgeführt: Zwei „schmale“, eine „intermediate“ und eine „breite“ Beitragende.

Überlagerung [NII]-Ha-Emissionslinien mit 4 Linienkomponenten  (LISA Spektrum im Hintergrund, MEGARA-Spektrum Cazzoli et. al 2020)
Überlagerung [NII]-Hα-Emissionslinien mit 4 Linienkomponenten (LISA Spektrum im Hintergrund, MEGARA-Spektrum Cazzoli et. al 2020)

Die Abbildung zeigt die Modellierung von Cazzoli et al. (2020) für deren beobachteten Linienverlauf (Messung in schwarz, Modell in rot). Das von mir gemessene Spektrum (blau, Hintergrund) passt recht gut dazu. Die Cazzoli-Komponenten sind farblich getrennt: hellgrün+violett = schmale Linien und die intermediate und (einige) breite Komponenten in Blau.

Man erkennt, dass eine „Trennung“ der Beiträge nicht möglich ist, da die breiten Beträge die der schmalen überdecken. Und man ahnt, dass es schwierig ist, aus der gemessenen „Peak–Mischung“ auf die Verschiebungen der einzelnen Ruhewellenlängen, also die jeweiligen Geschwindigkeiten, korrekt zu schließen.

Eine Chance die verschiedenen Komponenten dennoch nachzuweisen, liegt in einer ortaufgelösten „Feld-Spektroskopie“. Mit dem MEGARA Spektrograph ((Multi-Espectrógrafo en GTC de Alta Resolución para Astronomía, siehe https://www.gtc.iac.es/instruments/megara/) tastet man mit einem Glasfaser-Bündel ein Feld von 12,5″ x 11,3″ ab. Jede der 100 μm-dünnen Fasern liefert ein eigenes Spektrum. Die Auflösung von MEGARA ist mit R = 20.000 deutlich höher als die meines Instruments mit R=1000. Eine „ortsauflösende Option“ habe ich aber auch. Dazu dazu gleich mehr.

Im obigen Spektrum von NGC7469 sind die Ruhewellenlängen der Emissionslinien eingezeichnet. Diese liegen alle „links“ der gemessenen Linien und zeigen damit an, dass das Licht der Galaxie rotverschoben ist. Die Vermessung der einzelnen Linien ergibt die folgende Tabelle.

Benutzt man die Hα-Linie ermittelt man für die Fluchtgeschwindigkeit von NGC7469 einen Wert von 4875 km/s und damit eine Abweichung von nur 0,4% vom NASA-NED-Wert von 4877 km/s. Aus der obigen Komponentenbetrachtung folgt aber, dass dies mit Vorsicht zu genießen ist, der Messfehler liegt bei mir meist im 1% – 2% Bereich.

Interessanter als der absolute Wert der Fluchtgeschwindigkeit sind die Relativgeschwindigkeiten, die die einzelnen Emissionslinien zueinander haben. Dazu kommt die unterschiedliche Breite der „Linien-Füße“.

Die Wasserstoff-Linien Hβ und Hγ (hellgrün in der Tabelle markiert) sind im Vergleich zu den zwei [OIII]-Linien (rosa hinterlegt) deutlich rotverschoben. Dazu kommt, dass die Wasserstoff-Linien viel breiter sind. Ordnet man diesen eine Rotationsbewegung zu, so „dreht sich die Wasserstoff-Scheibe“ rund zehnmal so schnell wie die [OIII]-Scheibe. Diese rotiert langsamer und passt kinematisch zur NGC7469-Fluchtgeschwindigkeit. Die BLR-Wasserstoffscheibe zeigt besitzt einen starken rotverschobenen Beitrag. Dies ist ein Hinweis auf eine Asymmetrie der Kinematik der Scheibe.

Mit der von mir gewählten Orientierung des Spalts lässt sich in meinen Messungen diese Asymmetrie feststellen. Bei Cazzoli et al. (2020) ist dies durch die Feld-Abtastung viel besser ausgelöst (man sieht das 360° Bild und nicht nur eine Schnittlinie). Es wird vermutet, dass diese Asymmetrie durch zwei NLR-Scheiben entsteht, die ihrerseits Störungen aufweisen. Und zwar in Form von Verklumpungen, so dass es Ungleichheiten bei den roten und blauen Anteilen gibt. Diese NLR-Scheiben-Kinematik spielt sich in einer zentralen Region ab, die nur wenige Hundert Lichtjahre im Durchmesser besitzt.

Besonders schön aufgeräumt darf man sich die BLR+NLR Regionen also nicht vorstellen. Vielmehr strömt hier Materie von außen nach innen und in der Zone dieser „Ankopplung“ zwischen der außen liegenden Hauptebene der Spiralgalaxie und der Ebene der zentralen Maschine gibt es nicht-rotationssymmetrische Störungen.

Bei NGC7469 sieht man sogar die Aktivität dieser Zone. In Aufnahmen des HST zeigt sich ein strukturierter Ring mit einem Durchmesser von etwa 3″.

In diesem Ring leuchten Haufen aus jungen, heißen Sternen. In der NGC7469-Entfernung von rund 23 Mio. Lichtjahren entspricht dies etwa 3.300 Lichtjahren.

Die folgenden Abbildungen „zoomen“ in den Bereich der [NII]-Hα-Linien hinein. Ausgangspunkt ist das rohe Spektrum und beim genauen Hinsehen erkennt man die gegenüber der Vertikalen „verkippten“ Linien.

Wählt man nun den Auswahlbereich für das Spektralprofil schmal genug, kann man diese Verkippung, von „oben nach unten“ gehend, ortsaufgelöst messen. Bei meiner Beobachtung von NGC7469 lag der Spalt in N/S-Richtung – die Abtastung erfolgte demnach von „Norden nach Süden“.

Die unteren / südlichen Beiträge der Emissionslinien sind blauverschoben, die oberen / nördlichen sind rotverschoben. Die Werte der Verschiebung liegen etwa bei +/- 130 km/s. Weiter nördlich oder südlich erkennt man keine Linienbeiträge mehr.

Betrachtet man den Ring im HST-Zentrumsbild (s. oben), bewegt sich der südliche, untere Teil des Rings auf uns zu, der nördliche, obere Teil bewegt sich von uns weg. Die Breite der Emissions-Beiträge entspricht in etwa 3″ – 4″. Und daraus errechnet sich der Ringdurchmesser von 3.300 Lichtjahren.

Diesen Emissions-Ring-Effekt zeigen die rote Dreiergruppe mit [NII]-Hα und auch die [SII]-Linien. Die Dreiergruppe im Grünen mit Hβ-[OIII] erscheint nicht gekippt, deren Licht stammt sehr wahrscheinlich nicht aus dieser Ring-Zone, sondern entsteht in den weiter innen liegenden BLR-NLR-Bereichen.


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