Bei der ersten Auswertung der 8 gemessenen Spektralprofile der Supernova SN 2023ixf benutzte ich zur Modellierung der P-Cygni-Profile der Hα-Linien zwei Gauss-Profile.
Obwohl die Qualität meiner Daten sicherlich begrenzt ist, und teilweise deutliches Rauschen zu sehen ist, lässt sich vermuten, dass in 4 der 8 Profile eine zusätzliche Absorptions-Linie enthalten sein könnte. Diese zeigt sich links der Absorptionslinie, die bei der ersten Auswertung benutzt wurde. Ihre Lage „weiter links“ entspricht einer noch größeren Geschwindigkeit, mit der sich ein Fragment einer Gasschale auf uns als Beobachter zubewegt. Solche eine Hochgeschwindigkeits-Signatur werden in einigen Fachartikeln als „Cachito-Feature“ bezeichnet. Man geht dabei davon aus, dass es Bruchstücke der Supernova-Explosion sind, die der expandierenden Gasschale vorauseilen. Diese Bruchstücke sind räumlich begrenzt, sie bilden also keine Schale, sondern bewirken durch ihre Laufrichtung im Raum vor der Supernova eine zweite Absorptionslinie, die als zusätzliches Feature der P-Cygni-Profile identifizierbar ist.
Astronomen deuten diese Bruchstücke als Hinweis auf eine Asymmetrie der Supernovaexplosion. Entstanden sein könnte diese durch eine bereits bestandene Asymmetrie des Vorgängersterns, etwa durch dessen schnelle Rotation, oder etwa durch ein Doppelsternsystem zu dem der Vorgänger gehörte.
Die Modellierung erfolgte mit 3 Gauss-Profilen – ein großes Profil für die Emission, und zwei Absorptionsprofile mit geringerer Amplitude. Durch dieses andere Modell ergeben sich auch andere Best-Fit-Werte im Vergleich zur ersten Auswertung:
Modellierung – 2 Gauss-Profile (aus Teil 1)
P-Cygni-Profil Emission: 6504 ± 49 Å
P-Cygni-Profil Absorption: 6420 ± 29 Å
Modellierung – 3 Gauss-Profile
P-Cygni-Profil Emission: 6504 ± 33 Å
P-Cygni-Profil Absorption: 6425 ± 25 Å
2. Absorptionsprofil „Cachito-Feature“: 6299 ± 21 Å
Die folgenden Abbildungen wurden analog zum ersten Teil der Auswertung erzeugt. Die ersten Abbildung zeigt die Zusammenschau aller 8 Profile. Die zweiten Abbildung zeigt dann die daraus entnommenen 5 Profile, für die die Modellierung mit den 3 Gauss-Profilen durchgeführt wurde.
Die grüne Funktion setzt sich aus den drei Gauss-Profilen zusammen. Das Cachito-Feature wird im 1., 2., 3., und 4. Profil gut vom Fit erfasst. Die blaue Differenz zwischen Fit und orangefarbenen Spektrum zeigt nun einen flacheren Verlauf im Vergleich zum Modell-Fit mit nur zwei Gauss-Profilen der ersten Auswertung.
Bei 5. Profil (ganz rechts, 08-11) gelingt der Fit des zweiten Absorptionspeaks nicht, hier modelliert der Algorithmus eine zweite, kleine Emissionslinie. Man kann daraus folgern, dass das Cachito-Feature nur temporär im Spektrum der Supernova zu sehen war – über einen Zeitraum von etwa 4 Wochen (06-09 bis 07-07).
Im letzten Spektrum von Anfang August (08-11) war das Feature verschwunden. Bleibt man im Bild der Absorption durch Bruchstücke, die sich vor der expandierenden Gasschale auf uns zubewegen, so hätten sich diese in nach 4 Wochen aufgelöst, etwa durch die Wechselwirkung mit zirkumstellaren Material.
Die Geschwindigkeit dieser Bruchstücke lag im Bereich von rund 12.000 km/s.
Wie auch bei den anderen Gaussprofilen, kann man auch bei Modell-Parametern untersuchen, wie sich die Wert innerhalb des Messzeitraums verändern. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die zeitliche Entwicklung der gemessenen Wellenlänge der drei Gauss-Profile in Abhängigkeit der Tage nach der Entdeckung der Supernova.
Betrachtet man die drei Verläufe, so ist wie schon bei der ersten Auswertung die Lage des Emissionspeaks in etwa konstant, wobei der Absorptionspeak des P-Cygni-Profils mit der Zeit zu langsameren Geschwindigkeiten wandert (von etwa 7.400 km/s (06-09) zu 4.100 km/s (08-11)). Der Grund ist sehr wahrscheinlich die Abbremsung der Gasschale durch zirkumstellares Material, das die SN 2023ixf umgibt.
Der zeitliche Verlauf der Lage des zweiten Absorptionspeaks ist im Rahmen der Fehler auch als kontant zu bewerten. Interessant ist, dass dieses Cachito-Feature dann im Spektrum auftauchte, als auch die Hα-Linie auf die Bühne trat. Dies geschah beim vierten Profil (06-09). Dies passt gut zum Bild der schnellen asymmetrischen Bruchstücke, die vor der Gasschale auf uns zulaufen.
Die letzten Abbildung zeigt die Fläche unter den Gauss-Profilen, die für die Modellierung benutzt wurden. Das in diesem zweiten Teil der Auswertung benutze Cachito-Feature ist deutlich kleiner als die beiden Gauss-Profile, die das P-Cygni-Profil aufbauen. Dennoch war es über 4 Wochen im Spektrum von SN 2023ixf nachweisbar.
—
Nachtrag, 11.11.2023
Aus der zeitlichen Entwicklung der Lage des Absorptions-Peaks des P-Cygni-Profils kann man erkennen, dass diese recht gut einem linearen Verlauf entspricht.
Für die Gerade, die an die Messwerte angefittet wurde, er hält man die Gleichung:
fWellenlänge Abs.Peak(t) = 8555 km/s – 51,15 km/s / Tag * t
Die Zeit t wird in Tagen angegeben. Der Nullpunkt (t = 0) ist der Tag der Supernova-Entdeckung 19.5.2023. Aus dieser Gerade folgt mit dem y-Achsenabschnitt der Wert der Geschwindigkeit des Absorptions-Peaks am Tag der Entdeckung zu 8555 km/s. Mit dieser Geschwindigkeit startet als die Gasschale. Wobei man zu diesem Zeitpunkt in den Spektren noch keine Absorption feststellen konnte. Wie oben beschrieben, baut sich das P-Cygni-Profile erst Wochen später auf.
Aus der Steigung der Geraden ergibt sich die Abnahme der Wellenlänge des Absorptionspeaks. Diese wandert in diesem Bild im Spektrum in Richtung der Ruhewellenlänge. Man kann nun ausrechnen, wann diese erreicht sein wird (f(t) = 0). Dann wäre auch das P-Cygni-Profil nicht mehr sichtbar. Man erhält eine Zeitdauer von 167,3 Tagen. Bezogen auf den Starttermin entspricht dies dem 3.11.2023.
Nun kann man weiter folgern, dass unter der Annahme der linearen Abnahme der Geschwindigkeit des Absorptionspeaks die Expansion der Gasschale immer weiter abgebremst wird.
Das ist sicherlich ein grobes Modell, da die Expansion sicher weitergeht, und sich dann ein Supernovaüberrest in den nächsten Jahren bis Jahrhunderten entwickeln wird. Für die aktuelle Phase und das P-Cygni-Profil geht aber – in diesem einfachen Modell – die Zeit zu Ende.
Für eine Abbremsung mit konstanter Bremswirkung, also konstanter Verzögerung, gibt die folgende Formel dem Bremsweg an:
s(t) = v0 * t – 1/2 * a * t2
Die Verzögerung a ist die oben ermittelte Steigung, also 51,15 km/s / Tag. Der Wert v0 ist die Anfangsgeschwindigkeit 8555 km/s. Für die ermittelte Bremszeit von 167,3 Tagen berechnet man mit diesem einfachen Modell eine bis dahin erreichte Strecke von 413,5 AE. Zum Vergleich: Der Abstand Sonne-Neptun liegt bei rund 30 AE, bei Pluto sind es etwa 50 AE.
In den Grenzen dieses einfachen Modells der expandierenden Gasschale um SN 2023ixf, die kontant verzögert wird, hat die Gasschale nach 167 Tagen einen Durchmesser von über 800 AE erreicht.
Wenn man die aktuelle Fachliteratur zu SN 2023ixf studiert, so wird dort meist nach dem Vorläuferstern gesucht. Oder aber man versuch auf dessen Windverluste zu schließen, eben weil die Flash-Spektrometrie der ersten Tage nach der Explosion ja auf zirkumstellares Material hindeutete. Dieses Material geht auf Winde zurück, die der Vorgänger produzierte, und die sich in der Umgebung ansammelten. Aus den Modellen folgern die Astronomen, dass der Vorläufer etwa 2 * 10-3 Sonnenmassen (Mso) verloren hat – in einem Zeitraum der letzten 2 bis 3 Jahre. Die Massenverlustrate pro Jahr war 6 * 10-6 Mso. Es entstand eine Schale aus Material um den Vorläuferstern mit einem Radius von etwa 8 x 1014 cm. Und dieser entspricht 54 AE (siehe J.Zhang et al., Circumstellar Material Ejected Violently by A Massive Star Immediately before its Death, Science Bulletin, 2023, 68, https://arxiv.org/pdf/2309.01998.pdf).
Ein anderer Artikel, der später erschien, hat CSM-Entfernung mit etwa 1015 cm angegeben, also etwa 70 AE. Die Anfangsgeschwindigkeit der Explosion wurde mit 10.000 km/s geschätzt. Dieser Wert passt zu dem obigen Wert von v0. Die Theorie zu dieser Berechnung nimmt an, dass der Vorläuferstern ein Roter-Riesenstern war, mit Windgeschwindigkeiten von 10 km/s bis 20 km/s. Die äußere Schicht des Riesen hat sich nach der Vorstellung der Autoren einige Jahrzehnte vor der Explosion abgelöst (E.A.Zimmermann et al., Resolving the explosion of supernova 2023ixf in Messier 101 within its complex circumstellar environment, Submitted to ApJ Letters, 2023, https://arxiv.org/pdf/2310.10727.pdf)
Da diese Größenangaben der benutzten Wind-Modell fehlerbehaftet sind, und meine Rechnung dies sicherlich auch ist, zeigt der Vergleich dennoch, dass die Größenordnung der CSM-Schale passt. Man kann auch davon ausgehen, dass meine Annahme der konstanten Verzögerung nicht korrekt ist. Vielmehr dürfte die Verzögerung mit Zunahme der Entfernung und dem Einlaufen in immer dichteres CSM-Material deutlich zugenommen haben. Diese stärkere Bremswirkung verkürzt die Abbremszeit. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass der Radius der CSM-Schale weniger als 100 AE misst.
Man darf gespannt sein, ob aktuelle Spektren von SN2023ixf diese Annahme bestätigen, oder sich Neues aus den Spektren ableiten lässt.
Für die Python-Programmierung nutzte ich die Pakete astrophy und specutils in Anaconda / Spyder IDE (https://anaconda.org/anaconda/spyder).
Schreibe einen Kommentar