Bei der Supernova SN 2023ixf konnte ich bis Anfang August 8 Spektren aufnehmen. Danach lag die Supernova für meine Sternwarte zu ungünstig.
Es ist recht interessant, die 8 Spektren, die einen Zeitraum von etwa 90 Tagen nach der Entdeckung am 19.5.2023, abdecken, zusammen zu betrachten. Die folgende Grafik zeigt diese 8 Spektralprofile übereinander gestellt.
Die Profile wurde jeweils für den Bereich 4900 – 5200 Å auf 1 normiert. Dann wurden die Profile durch passende Offsets in Y-Richtung visuell so angeordnet, dass es keine Überlappungen gab. Man sieht am Rauschniveau, dass die Qualität der Beobachtungsnächte unterschiedlich war. Das letzte Spektrum vom 11.8.2023 zeigt ein starkes Rauschen, dennoch lassen sich die starken Absorptions- und Emissionslinien gut identifizieren.
Für die ersten 7 der 8 Spektralprofilen habe ich in einer Research Note der American Astronomical Society die zeitliche Entwicklung der Hα-Linie gezeigt (M. Koenig 2023 Res. Notes AAS 7 169) https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2515-5172/aced3d
Die beeindruckende Entwicklung der Hα-Linie hat sich weiter fortgesetzt und daher wollte ich die 8 Profile quantitativ auswerten, um diese sichtbare Veränderung auch zu messen.
Zur Auswertung schrieb ein Python-Programm, das die 8 Profile als 1D-Fits-Daten einliest und analysiert (Danke an dieser Stelle an Lothar Schanne, der auf seiner Seite gute Tipps für dieses Python-Spektralanalysen gibt https://lotharschanne.wordpress.com/spectro-python/).
Der erste Schritt bei der Auswertung war die Wellenlängen-Eichung der Profile. Dazu benutzte ich die Absorptionslinie des atmosphärischen Sauerstoffs. Genauer ist das ein Bandenspektrum, es überlagern sich hier also viele Linien, mit einer resultierenden, tiefsten Absorption bei 6869 Å. In der folgenden, sehr großen Grafik (bitte in einem separaten Tab öffnen) ist in der oberen Reihe der jeweilige Ausschnitt des Profils im Bereich der Sauerstoff-Absorption zu sehen. Man erkennt, dass es im Prinzip eine gute Eichlinie ist. Nur der August-Wert ist so verrauscht, dass man alleine mit diesem kleinen Fenster die Absorption nicht sicher festlegen könnte. Hier passen aber die anderen SN-Absorptions-Signaturen gut zu der Positionierung.
In der zweiten Reihe darunter ist der Bereich der Hα-Linie der 8 Profile gezeigt. Man erkennt. dass ab dem 4. Profil (vom 10.6.2023) die P-Cygni-Profilform hervortritt.
Für die Bestimmung der P-Cygni-Parameter werden im Programm zwei Gauss-Profile an das jeweilige Spektrum angefittete (Spektralprofil = orange). Ein Gauss-Profil modelliert dabei die Emission, das andere die kleinere, blauverschobene Absorption. Bei den ersten drei Profilen ist die P-Cygni-Form noch nicht präsent, daher versucht der Fit, „das Rauschen zu fitten“ (Fit = grün). Dies ist nicht wirklich sinnvoll, ich habe aber diese Fits zum Vergleich mit aufgeführt. Erst ab dem 4. Profil ist die Differenz zwischen Spektrum und dem Fit, die als blaue Kurve gezeigt wird, ein flaches Rauschprofil – ein Zeichen, dass die Modellierung gut gelungen ist.
Stellt man nur die 5 Profile dar, bei denen die P-Cygni-Linie auch im Spektrum zu sehen ist, so kann man auch die Feinheiten des Fits erkennen. Man kann beim zweiten (06-16) und beim dritten (06-24) Profile eine kleine Absorption ausmachen, die noch etwas weiter links als die angefittete Absorptionslinie liegt.
Mit den Gauss-Profilen lassen sich nun für die Absorption und die Emission der P-Cygni-Profile der Hα-Linien ableiten. Der wichtigste Wert ist dabei die Lage des Gauss-Profils, da diese Wellenlänge die Relativgeschwindigkeit bezogen auf die „Ruhewellenlänge“ (Ruhewellenlänge (Labor) = 6563 Å inkl. Rotverschiebung M101 mit z= 0.000804) beschreibt. Man erhält als Mittelwerte der 5 Profile:
- P-Cygni-Profil Emission: 6504 ± 49 Å
- P-Cygni-Profil Absorption: 6420 ± 29 Å
Die Absorption ist relativ zur Emission blauverschoben, wie man es erwartet. Wenn man die Entwicklung der Messwerte im Laufe der Zeit betrachtet, also wie sie sich diese von Spektrum zu Spektrum verändern, kann man vermuten, dass sich die Absorption und die Emission bzgl. der Dynamik unterscheiden.
Während bei der Emission, die sich, im Rahmen der Fehlergrenzen, im Bereich der Hα-Ruhewellenlänge befindet, zeigt sich bei der Absorption ein anderes Bild. Hier scheint es so, als wenn die Blauverschiebung mit der Zeit abnehmen würde. Am Anfang Juni (09.06.2023) lag die zugehörige Relativgeschwindigkeit noch bei rund 8.000 km/s. Anfang August (11.8.2023) misst man noch rund 4.500 km/s.
Im P-Cygni-Bild entspricht die „blaue Absorption“ dem Bereich der sich ausdehnenden Gasschale, der direkt vor der hellen Supernova steht. Dieser Bereich bewegt sich auf uns zu, und man kann aus den Messungen daher folgern, dass diese Ausdehnung mit der Zeit an Geschwindigkeit verliert.
Diese Verlangsamung könnte man dadurch erklären, dass die Gasschale in dichteres Material hineinläuft und mehr und mehr abgebremst wird. Dass es genau dieses zirkumstellare Material in der Umgebung von SN20233ixf geben muss, wurde durch die Flash-Spektroskopie der ersten Tage nach der Explosion nachgewiesen.
Aus dem Gauss-Modellierung leitet man auch ein Maß für die Fläche unter den zwei Profilen ab. Auch hier zeigt sich eine Entwicklung, die man auch schon bei der ersten visuellen Betrachtung der 8 Profile erkennen konnte: Der Emissionspeak wird immer prominenter, seine Fläche (proportional zur Äquivalentbreite) wächst deutlich an. Dies erscheint logisch, da die Gasschale expandiert, also größer wird, und es noch genügend Strahlung der Supernova-Photosphäre im Zentrum gibt, um die Hα-Emission der Schale mit Energie zu versorgen.
Für die Python-Programmierung nutzte ich die Pakete astrophy und specutils in Anaconda / Spyder IDE (https://anaconda.org/anaconda/spyder).
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